Ein wichtiger Arbeitsschritt nach dem Aufziehen eines neuen Reifens ist das Auswuchten des Rads.
Dafür kann man als Motorradschrauber verschiedene Wuchtböcke kaufen, die alle nach dem selben Prinzip arbeiten: Das Rad wird mit einer speziell zentrierten Achse auf eine sehr leichtgängige Lageranordnung gelegt, so dass sich der Bereich der Unwucht durch die Gewichtskraft nach unten bewegt. Durch Ausprobieren verschiedener Auswuchtgewichte auf der gegenüberliegenden Seite versucht man dann, das Rad in's Gleichgewicht zu bringen, d.h. die Unwucht soweit auszugleichen, dass sich das Rad nicht mehr von selbst in irgendeine Position ausrichtet.
Dieses Verfahren ist durch das Ausprobieren und die teils langsame Bewegung des Rads recht zeitaufwändig. Der größte Nachteil an dem Verfahren ist aber die Notwendigkeit, dass die Anlage mit höchster Genauigkeit gefertigt sein muss, da die Achse für eine aussagekräftige Messung absolut zentral in dem Rad zu liegen hat. Kleinste Ungenauigkeiten (Bruchteile eines Millimeters) führen unweigerlich dazu, dass die Hebeleffekte des Rads um eine nicht zentral platzierte Achse die Messung der eigentlichen Unwucht deutlich überwiegen und damit unmöglich machen. Oftmals liest man in den Kundenbewertungen der Wuchtböcke, dass die mitgelieferte Achse nicht völlig gerade ist oder sich unter dem Gewicht des Rads zu stark durchbiegt. Bei dem Wuchtbock den ich mir besorgte, waren die Bohrungen durch die Zentrierungs-Konusse deutlich weiter als der Achsdurchmesser, weshalb es unmöglich war, das Rad so zu zentrieren, dass die Auswuchtung in irgendeiner Weise reproduzierbar war.
Mein elektronischer Wuchtbock basiert auf einer dynamischen Messung um die Radlager, d.h. die Genauigkeit von Achse und Zentrier-Konussen ist völlig zweitrangig. Es wird ausschließlich die Unwucht des Rads um die Radlager gemessen, also genau die Unwucht, wie sie auch im Betrieb des Motorrads auftritt.
Das Prinzip des Geräts basiert auf einer Gewichtsmessung des Rads, während dieses sich dreht. Eine Unwucht verursacht dabei eine radial wirkende Fliehkraft, die entsprechend ihrer Position während der Drehung die Gesamt-Gewichtskraft des Rads sinusförmig verändert (maximal, wenn sich die Unwucht genau unten befindet, minimale Gesamt-Gewichtskraft, wenn sich die Unwucht genau oben befindet).
Die Wuchtbock-Software liefert nach der Messung sowohl die zum Auswuchten notwendige Größe des Auswuchtgewichtes als auch die Position relativ zu einem Referenzpunkt am Rad, an die das Gewicht angebracht werden muss. Insgesamt messe ich mit dem System schneller als mit einem der marktüblichen Wuchtböcke und auch deutlich genauer (sofern das überhaupt nötig ist). Hätte ich zudem nicht schon vorher einen Wuchtbock gekauft, dessen klappbares Gestell ich für mein Gerät verwende, wäre mein System zudem auch noch deutlich billiger gewesen - die Hauptkomponenten, nämlich die beiden 10kg-Wägezellen, sind dank Chinaproduktion phänomenal günstig zu kaufen. Gerade mal 3 Euro pro Wägezelle inkl. HX711...
Die Hardware ist fast schon unspektakulär. Sie besteht im Wesentlichen aus den beiden fertig mitgelieferten HX711-Testboards, von denen lediglich der RC-Filter von den Eingängen entfernt und deren Samplerate auf 90Hz hoch gesetzt wurde. Zur Bestimmung der Referenzposition am Rad wird ein Hall-Element verwendet, dessen Signal noch durch den Differenzverstärker IC1 verstärkt wird. Dieser bestimmt die Position zweier Magnete, die am Rad angebracht werden. Zusammengefasst werden die Daten des Positionssensors und der beiden Messsensoren von einem PIC16F676, der die Daten ohne weitere Bearbeitung über UART an einen PC weiterleitet.
Deutlich spektakulärer ist dann die recht aufwändige Signalverarbeitung auf dem PC zur Auswertung der Messdaten. Die Bilderserie zeigt einige Screenshots der Software mit verschiedenen Messungen.
Im Wesentlichen hat die Signalverarbeitung der Software die Aufgabe, aus den Messsignalen der beiden Wägezellen die Sinusfunktion der entsprechenden Messkurven zu ermitteln, was angesichts der stark verrauschten Signale (der hauptsächliche Rauschanteil ist dabei nicht elektrischer Natur sondern rührt von der mechanischen Reibung in den Radlagern) nicht ganz trivial ist. Das ursprüngliche Messsignal darf dabei nämlich weder gedämpft noch in der Phase verschoben werden. Schließlich ist es die Amplitude der Sinuskurve, aus der die Größe der Unwuchtmasse ermittelt wird. Und die Phasenlage des Sinus im Vergleich zu den Daten des Positionssensors gibt Aufschluss über die Lage der Unwucht in Relation zu den am Rad angebrachten Positions-Magneten.